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Kontakt- und Beratungsstelle für Alternativen zum Schulbesuch in Deutschland

Übersicht
Wege ins Freilernen
"Eine Schule besuchen zu dürfen ist ein Privileg, für das hart gekämpft wurde!" sagen manche Menschen und verstehen nicht, warum man sich dagegen entscheiden sollte.
Wenn der Schulbesuch ein "Privileg" sei und sogar "jeder junge Mensch ein Recht auf schulische Bildung" hat, z.B. laut §1 (1) ThürSchulG, warum muss dann die Annahme dieses Privilegs bzw. Rechts durch die Schulpflicht erzwungen werden? Ein zugestandenes Recht kann man eigentlich doch wahrnehmen oder auch ablehnen... oder nicht?
Es gibt jedenfalls gute Gründe sich gegen einen (weiteren) Schulbesuch zu entscheiden. Aber das soll an anderer Stelle dargestellt werden.
Hier möchten wir kurz auf die rechtliche Situation der Schulpflichtigen und ihrer Eltern eingehen. Was erwartet Familien, die sich für einen Bildungsweg ohne Schule entscheiden?
Freilernen und die rechtlichen Folgen
Rechtliche Grundlagen zur Schulpflicht
Freilernen bzw. über seinen eigenen Bildungsweg als Kind/Jugendliche(r) selbstbestimmt entscheiden ist in Deutschland gesetzlich nicht vorgesehen.
Das Freilernen wird durch die gesetzliche Schulpflicht ausgeschlossen. Diese Schulpflicht ist in jedem Bundesland in einem eigenen Schulgesetz geregelt. Allen Gesetzeswerken ist gleich, dass sich die Schulpflicht grundlegend auf zwei Bereiche erstreckt:
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Die Pflicht der Sorgeberechtigten, dafür zu sorgen, dass Schulpflichtige regelmäßig am Unterricht teilnehmen.
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Die Teilnahmepflicht der Schulpflichtigen, regelmäßig eine Schule zu besuchen bzw. am dortigen Unterricht teilzunehmen.
Ein Verstoß gegen die Schulpflicht stellt eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit Bußgeld bestraft werden kann. In den Ländern Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern und im Saarland ist ein wiederholter oder dauerhafter Verstoß gegen die Schulpflicht sogar eine Straftat, die mit Freiheitsentzug bestraft werden kann.
Ein beispielhafter Verfahrensweg
Im Fall einer länger andauernden Schulverweigerung kann immer mit zwei Verfahren gerechnet werden: einem Ordnungswidrigkeitsverfahren und einem familiengerichtlichen Verfahren.
Ein länger andauernder Verstoß gegen die Schulpflicht wird durch die Schule oder das Schulamt als mögliche Ordnungswidrigkeit dem Ordnungsamt gemeldet. Das Ordnungsamt leitet ein Bußgeldverfahren ein, das zu einem Bußgeld für die Eltern bzw. für den strafmündigen Schulpflichtigen führen kann. Der Verstoß gegen die Schulpflicht kann mehr als einmal mit Bußgeld bestraft werden.
Gewöhnlich wird bei Schulverweigerung auch das Jugendamt in Kenntnis gesetzt. Es hat eine mögliche Kindeswohlgefährdung zu prüfen. Meist wird auch das Familiengericht mit dem Fall betraut. Dann wird ein familiengerichtliches Verfahren eingeleitet. Wenn das Jugendamt oder das Familiengericht eine Kindeswohlgefährdung feststellt, wird mit dem Entzug des Sorgerechts gedroht. Falls die Schulverweigerung fortgesetzt wird, können dann zuerst Teilsorgerechte – Aufenthaltsbestimmungsrecht und Sorgerecht für schulische Angelegenheiten – den Eltern entzogen und einem Pfleger übertragen werden. Der Pfleger muss dann dafür sorgen, dass der/die Schulpflichtige zur Schule geht. Spätestens jetzt sollten sich die Eltern einen Anwalt nehmen.
Bisherige Erfahrungen
Freilerner-Familien machen mit den Behörden unterschiedliche Erfahrungen. Manche haben Glück und ihre Entscheidung wird geduldet und nicht bestraft. Andere wieder bekommen drastische Geldstrafen und/oder ihnen werden Sorgerechte entzogen. Oft zahlen die Familien zwei oder drei Bußgelder und haben mehrere Termine im Jugendamt oder auch beim Familiengericht, werden dann aber in Ruhe gelassen. Inzwischen haben einige Jugendämter in Deutschland Verständnis für die Entscheidung und lassen die Familien gewähren. Es gibt auch Gerichtsurteile, die besagen, dass ein Nicht-Schulbesuch allein keine Kindeswohlgefährdung darstellt.
Insgesamt kann ein irgendwie geartetes Aufweichen der Schulpflicht in den nächsten Jahren erwartet werden. Allerdings wird es vorerst rechtlich eine große Herausforderung bleiben, den eigenen Bildungsweg ohne Schulbesuch zu beschreiten.